Die LTS-Versionen der Ubuntu-Firma Canonical sind Meilensteine für die Linux-Gemeinde. Viele Ubuntu-Nutzer warten bei Neuinstallationen und Upgrades grundsätzlich die LTS-Versionen ab und lassen die halbjährlichen Zwischenversionen links liegen.
Download Ubuntu 24.04 LTS
Ganz Vorsichtige warten auf das erste Point Release mit Fehlerbereinigungen, das im aktuellen Fall 24.04.1 LTS heißen wird und für August 2024 geplant ist. Ab Erscheinen von 24.04.1 LTS ist dann auch das Upgrade für die bisherige LTS-Version 22.04 geöffnet.
Lohnt sich das neue Ubuntu? Der folgende Beitrag berichtet über die interessantesten Neuerungen und bringt im Abschnitt „Praxistipps“ nützliche, zum Teil unentbehrliche bis kritische Tipps zur Ersteinrichtung.
Ubuntu oder Ubuntu LTS: Für wen lohnt sich der Long-Term-Support?
Der neue Installer
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Canonical überarbeitete die Installationsroutine seit der Zwischenversion Ubuntu 23.04. Was anfangs nur nach Optikpolitur aussah, bekommt inzwischen auch funktional mehr Gewicht. Ein früher, zusätzlicher Einstellungsdialog „Barrierefreiheit“ (nur in der Hauptedition) soll das Setup für Sehbehinderte erleichtern.
Bei der Softwareausstattung ist die Minimalinstallation die Standardvorgabe: Wer Software wie Libre Office oder Thunderbird benötigt, muss die „Vollständige Installation“ wählen. Die neue Funktion „Automatisierte Installation“ ist für normale Nutzer kaum relevant: Sie setzt eine Installationsanweisung voraus (Yaml-Script), die der Installer einlesen kann. Das ist nur für Unternehmen und für Cloudinstanzen von Bedeutung.
Ubuntu richtig installieren – so geht’s
Bei der Partitionierung zeigt der Installer weiterhin Extras wie die ZFS-Installation und experimentelle TPM-gestützte Festplattenverschlüsselung. Endanwender können von der übersichtlicheren Optik mit etwas mehr Kommentierung profitieren. Alle interaktiven Aktionen (Sprache, Partitionierung, Konto, Software) bleiben aber im Prinzip unverändert – und eine vorbildliche Multiboot-Erkennung hatte auch schon der Vorgänger.
Das neue App Center
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Die Softwarezentrale ist in der Hauptedition komplett erneuert. Die meisten offiziellen Ubuntu-Derivate übernehmen diesen grafischen Paketmanager – Kubuntu, Lubuntu nicht. Das neue App Center nennt sich intern Snap-Store und ist selbst ein Snap-Paket.
Es priorisiert Snaps, jedoch ist es nicht so, dass man damit ausschließlich Snap-Software installieren könnte. Vielmehr gibt es einen Filter, um „Snap-Pakete“ und Debian-Pakete“ zu unterscheiden, allerdings nur, wenn man das Suchfeld oben Mitte verwendet.
Generell ist die Zentrale schlichter als der Vorgänger und mit lediglich drei Kategorien „Produktivität“, „Entwicklung“, „Spiele“ dürftig gegliedert. Dies lässt sich nur durch zielsichere Paketsuche kompensieren.
Insgesamt ist die neue Zentrale kein Gewinn. Wer für DEB-Pakete nicht sowieso bevorzugt apt-Kommandos im Terminal verwendet, dem sei die Nachinstallation von Synaptic empfohlen.
Ein peinliches Detail ist auch noch zu vermelden: Über „Verwalten“ kann das Tool Updates für die schon installierte Software einspielen. Updates für den Snap-Store selbst scheitern jedoch, weil das Snap ja aktuell geöffnet ist.
In diesem Fall ist nach Schließen des App Centers der Gang ins Terminal mit
sudo snap refresh
zu empfehlen.
Support mit und ohne „Ubuntu Pro“
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Die oft betonten fünf Jahre Support gelten nur für Canonicals Hauptversion. Alle weiteren offiziellen Flavours mit anderen Desktops (Kubuntu, Xubuntu, Lubuntu et cetera) erhalten nur drei Jahre Support bis 2027.
Die Hauptversion geht schon seit einigen Jahren einen Schritt weiter. Mit einer Anmeldung bei „Ubuntu Pro“ verlängert sich der Supportzeitraum auf zehn Jahre, ab Version 24.04 sogar auf 12 Jahre bis 2036 (!). Dieses Angebot ist für Privatnutzer mit maximal fünf Systemen kostenlos und mehr als eine Anmeldung bei der Ubuntu Cloud (Ubuntu One) ist nicht erforderlich.
Siehe auch: Ubuntu Pro – Lohnt sich die Aboversion?
Bei einer Neuinstallation von 24.04 wird man beim ersten Systemstart automatisch befragt, ob man „Ubuntu Pro“ nutzen will. Bei älteren LTS-Ubuntus ist der verlängerte Pro-Support über „Anwendungen & Aktualisierungen“ zu erreichen.
Die implizite Aussage, dass es Ubuntu auch 2036 noch geben wird, ist für Linux-Nutzer ein großartiges Nachhaltigskeitsversprechen.
Eine Notwendigkeit, sich auf einem Desktopsystem zwölf Jahre Support zu sichern, sehen wir allerdings nicht: Ein Ubuntu-System, das tatsächlich so lange laufen soll, kann auch alle zwei Jahre durch LTS-Upgrades aktualisiert werden – in aller Regel problemfrei (siehe aber „Upgrade ohne Eile“ in den Praxistipps).
Diese Ubuntu-Linux-Varianten gibt es: Server, Desktop, Ubuntu Pro, ohne Gnome
Neues in Gnome (46)
“Aktivitäten“: Das neue dynamische Schaltflächendesign für den vorher statischen „Aktivitäten“-Eintrag in der Systemleiste dient jetzt als Arbeitsflächen-Indikator und stellt die Anzahl der Arbeitsflächen sowie die aktuell genutzte Arbeitsfläche (kleiner Balken) visuell dar.
Dabei behält das Control aber die bisherige Funktion: Klickt man darauf, öffnet sich die Aktivitäten-Übersicht mit Fenster, Programmsuche und Arbeitsflächen. Das Feature wurde schon mit der Interimsversion 23.10 eingeführt.
Schnelleinstellungen (Quick Settings): Das kleine Menü in der Systemleiste ganz links wird unter Gnome immer wichtiger. Es führt zu den Netzwerk-, Bluetooth- und Audioeinstellungen, zum allgemeinen Kontrollzentrum, zu den Abschaltfunktionen, Themen und Energieeinstellungen. Jetzt kommen auch noch Controls für Screenshots und zur Tastaturbeleuchtung hinzu (falls solche Hardware vorhanden).
Zur schnelleren Erreichbarkeit erhält das Minimenü den Hotkey Super-S.
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Dateimanager Nautilus: Die Suchfunktion für Dateien im Dateimanager wurde beschleunigt und die Optionen, welche die Suche schon länger anbietet, werden durch ein neues Filtersymbol deutlicher als bisher angeboten und visualisiert. Verdienstvoll ist der Einbau des Passwortschutzes für ZIP-Archive.
Fensterarrangement (Tiling): Windowsähnlich ist das neue Gnome-Verhalten, nach einem an den Bildschirmrand gezogenen Fenster (das dann einrastet) eine Taskliste anzubieten, um dort ein weiteres Programmfenster auszuwählen. Dieses rastet dann in der anderen Bildschirmhälfte ein. Außerdem sind Viertelkacheln für vier Fenster möglich. Dazu gibt es im Gnome- Control-Center unter „Ubuntu-Schreibtisch“ den neue Abschnitt „Verbessertes Tiling“. Hier kann der Nutzer diese Funktion, die unter Gnome wie Windows durchaus nerven kann, auch abschalten.
WLAN-Kennwörter: Eine winzige Neuerung zeigt der Punkt „WLAN“ im Gnome- Control-Center („Einstellungen“): Das Kennwort des aktuell verbundenen Funknetzes kann als QR-Code angezeigt und auf diesem Weg weitergegeben werden.
Microsoft 365: In den „Online-Konten“ der „Einstellungen“ erscheint ein neuer Eintrag, der die Verbindung zum Office/Microsoft-365-Konto eröffnet. Dies integriert die auf Onedrive gespeicherten Daten in den Dateimanager Nautilus.
Die offiziellen Ubuntu-Derivate
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Alle Ubuntu-Flavours sind in einem Rutsch abzuhaken: Kubuntu (KDE), Xubuntu (XFCE), Lubuntu (LXQT), ferner Ubuntu Mate, Ubuntu Budgie, Ubuntu Cinnamon, Ubuntu Unity haben nämlich von sich aus wenig Neues an Bord. Fast enttäuschend ist Kubuntu 24.04, das noch den Desktop KDE Plasma 5.27 mitbringt, obwohl im Februar das neue KDE 6.0 fertiggestellt wurde.
Alle offiziellen Ubuntus müssen der Snap-Politik der Hauptedition folgen und bieten daher neben Firefox jetzt auch das Mailprogramm Thunderbird nur als Snap an.
Das neue App Center mit Fokus auf Snap-Software übernehmen aber nicht alle Flavours: Kubuntu und Lubuntu bleiben beim bewährten Discover. Ubuntu Mate hingegen verabschiedet sich nach langen Jahren von seiner Eigenentwicklung „Software-Boutique“ zugunsten dieses neuen App Centers.
Auch vom neuen Installer sind nicht alle Ubuntu-Flavours begeistert: Neben Kubuntu und Lubuntu schert auch Ubuntu Unity aus der Reihe. Diese Distributionen verwenden weiterhin den Calamares-Installer, den sie aber aufpeppen: Die Installationsmedien starten mit einem bunten „Installer- Prompt“ zur Auswahl von Sprache und Netzverbindung und bieten unter Calamares erweiterte Auswahlmöglichkeiten zur Softwareausstattung (Full, Normal, Minimal plus Additional).
Unterm Strich verbleiben nicht viele Konstanten, die alle Ubuntus verbinden – ein brandaktueller Linux-Kernel 6.8, der Snap-Daemon, Snap-Apps (Firefox, Thunderbird, Firmwareupdater), der Soundserver Pipewire und Netplan als neue Metaebene für unterschiedliche Netzwerkkonzepte.
Praxistipps für Ubuntu 24.04
Neuinstallationen: Die ISO-Images mit Ubuntu-Installationsmedien sind erheblich gewachsen. Unter drei GB geht nichts mehr, die Hauptedition tendiert Richtung sechs GB. Infos und Downloads für alle weiteren Ubuntu-Flavours finden Sie auf der Sammelseite. Es handelt sich bei allen ISO-Downloads um hybride Abbilder, die von DVD und von USB booten. Sie können also das gewünschte ISO mit den typischen Werkzeugen auf USB-Stick kopieren (Etcher, Gnome-Disks, unter Windows mit USB Imager oder Etcher).
Wir empfehlen nach dem Start des Livesystems auf dem Zielrechner immer die Option „Ausprobieren“ (statt direktes „Installieren“) und den anschließenden Start des Installationslinks am Desktop des Livesystems. Das Livesystem im Hintergrund bietet bessere Kontrolle und kann im Terminal oder in der Laufwerksverwaltung Unsicherheiten hinsichtlich der Laufwerkskennungen beseitigen.
Upgrades ohne Eile! Wer Ubuntu 22.04 LTS oder die Zwischenversion 23.10 benutzt, wird zur LTS-Version 24.04 wechseln wollen. Bei der Zwischenversion 23.10 ist dies sogar notwendig, weil sie im Juli abläuft.
Ubuntu-Editionen bieten über die grafische Aktualisierungsverwaltung das Upgrade auf die jeweils aktuelle LTS-Version früher oder später automatisch an. Bei Version 23.10 wird das bei Erscheinen dieses Heft längst der Fall sein, während die LTS-Version 22.04 noch das erste Point Release im August abwartet (24.04.1).
Tatsächlich raten wir dringend, kein Upgrade im Terminal zu erzwingen („do-release- upgrade“), sondern das Angebot der Aktualisierungsverwaltung abzuwarten. Nach Erscheinen von Version 24.04 wurden gravierende Upgradeprobleme wegen der Netzverwaltungsebene Netplan, außerdem mit Notebookfirmware gemeldet. Erst wenn die Aktualisierungsverwaltung „Ubuntu 24.04 ist jetzt verfügbar“ meldet, können Sie davon ausgehen, dass diese Probleme beseitigt sind.
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Wayland? Der Displayserver Wayland ist in der Hauptedition Standard. Allerdings bietet der Anmeldebildschirm nach wie vor die Option, vor dem Abschicken des Kennworts auf das Zahnrad rechts unten zu klicken und „Ubuntu on Xorg“ zu wählen (was dann Standard bleibt). Das ist immer noch eine Empfehlung: Wayland macht zwar keine ernsten Probleme, bringt aber eine Legion kleiner Einschränkungen mit. Hauptsächlich betroffen sind Remotefunktionen, Screenshots, Screencasts, Gnome-Erweiterungen und diverse Tools wie xprop, xcalib, xkill.
Tools für Gnome: Zwei Extratools sind für die Gnome-Hauptedition fast ein Muss. Gnome-Tweaks („Optimierungen“) bleibt relevant, weil es unter „Schriften“ den „Skalierungsfaktor“ justieren kann, unter „Fenster“ die modalen Dialoge abhängt und den „Fensterfokus“ ändert (bei Klick oder Mouseover) sowie die Einrichtung von Autostarts anbietet („Startprogramme“).
Der „Gnome Extension Manager“ zeigt installierte Gnome-Erweiterungen und holt die gewünschten aus dem Web – etwa „Workspace Indicator“ (Arbeitsflächenumschalter) oder „Places Indicator“ (Orte). Die beiden wichtigen Tools sind mit
sudo apt install gnome-tweaks gnome-shell-extension-manager
sofort nachinstalliert.
Appimage-Support: Peinliches Versäumnis oder Absicht? Auch Ubuntu 24.04 fehlt wieder die kleine Bibliothek libfuse2. Das muss unbedingt mit
sudo apt install libfuse2
korrigiert werden, wenn man Appimage-Software nutzen will. Diese startet nicht ohne diese Komponente.
Paketmanager Synaptic: Diese Nachinstallation ist für alle Ubuntus sinnvoll, die als Softwarezentrale das neue App Center vorgeben. Synaptic (Paketname „synaptic“) bietet den kompletten Umfang der DEB-Pakete und ist allenfalls für Nutzer entbehrlich, die apt im Terminal bevorzugen. Zur Installation lokal vorliegender DEB-Pakete (nach Download) ist ebenfalls apt oder Synaptic notwendig, weil das App Center diese Pakete nicht installiert.
Ubuntu-Extras: Auch dann, wenn Sie bei der Installation die Option für Drittanbietersoftware aktiviert hatten, wurden einige Extras (MS-Schriften, RAR-Unterstützung, etliche Multimedia-Codecs) nicht installiert. Dies lässt sich mit
sudo apt install ubuntu-restricted-extras
nachholen.
Firefox: Um die Snap-Variante durch ein DEB-Paket zu ersetzen, ist das Shell-Script deb-firefox.sh auf Heft-DVD ein einfacher automatisierter Weg. Vermutlich werden sich viele Nutzer aber anders verhalten – das DEB-Paket von Chrome laden, mit apt installieren und Firefox mit
sudo snap remove firefox
entsorgen. Das ist schade, aber direkte Konsequenz von Ubuntus Snap-Politik.
Ubuntus Release-Politik
Ubuntu STS, Ubuntu LTS, Point Releases: Man sollte die Ubuntu- Release-Politik kennen, um zwischen Interimsversionen, Langzeitversionen und Servervariante richtig zu entscheiden.
Ubuntu STS (Short Term Support): Es gibt halbjährliche Zwischenversionen im April und im Oktober. Diese erhalten als Versionsnummer die jeweilige Jahreszahl mit Monat – also etwa 24.10 für die nächste Zwischenversion (Oktober 2024). Interimsversionen bieten den neuesten Stand von Linux-Kernel und Softwareentwicklung, haben aber mit neun Monaten Support nur kurze Gültigkeit. Wer den flotten Zyklus mitmacht, muss halbjährlich das Upgrade auf die nächstfolgende Version erledigen. Das ist über die „Aktualisierungsverwaltung“ weitgehend automatisierbar.
Ubuntu LTS (Long Term Support): Im April aller geradzahligen Jahre erscheinen LTS-Versionen mit fünf Jahren Support für Canonicals Hauptversion und drei Jahre Support für die offiziellen Flavours (Kubuntu & Co). Für sorgenfreien Langzeitbetrieb sind auch diese drei Jahre ausreichend, sofern man Kubuntu & Co. alle zwei, drei Jahre per Upgrade über die „Aktualisierungsverwaltung“ auf die nächste LTS-Version hievt.
Point Releases: LTS-Versionen erhalten etwa halbjährlich „Point Releases“, die dann von 1 bis 5 nummeriert werden – also 24.04.1, 24.04.2 und so fort. Diese versammeln auf erneuerten ISO-Installationsmedien alles, was eine LTS-Version bislang an Updates erhalten hat. Hauptsächlicher Zweck dieser Point Releases ist es, bei Neuinstallationen unnötige Downloads zu vermeiden. Für laufende Ubuntu-Systeme spielen Point Releases keine Rolle, da alle Updates online installiert werden.
Point Releases liefern ab dem zweiten Point Release einen neueren Linux-Kernel. Diese Ergänzung nennt Ubuntu LTS „HWE-Stack“ (Hardware Enablement Stack). Der HWE-Stack soll LTS-Versionen auf dem aktuellen Stand halten und neueste Hardware unterstützen. Nur beim Ubuntu Server bleibt der HWE-Stack standardmäßig inaktiv, kann aber optional aktiviert werden („Boot & Install with HWE Kernel“).